Letzten Freitag war ich auf einer Vortragsveranstaltung des OV Salzachtal zum Thema “Antibiotika – Segen und Fluch”:
Kirchanschöring (rr) – Gut siebzig interessierte Zuhörer fanden am vergangenen Freitag den Weg zum Rothlerwirt bei Kirchanschöring um sich zum Thema „Antibiotika – Segen und Fluch“ zu informieren. Eingeladen hatte der Ortsverband Salzachtal Bündnis 90/ Die Grünen.
Dr. Michael Hüller, der den Abend moderierte, stellte die beiden Referenten, den Tierarzt Dr. Max Steinmaßl und den Internisten Dr. Andreas Neubauer vor.
Hüller betonte, wie wichtig das Thema Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung sei, da auch die Ärzte vor Ort den mittlerweile regelmäßig und zunehmend Antibiotikaresistenzen hilflos gegenüberstünden. Diese Resistenzen seien Vorboten der industrialisierten und intensiven Tierhaltung, die auch bei uns mehr und mehr Fuß fasse, falls die Regierungspartei weiterhin nichts dagegen unternehme.
Gisela Sengl, Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag, begrüßte die Anwesenden mit der Bemerkung, die Grüne Fraktion sei sich der Problematik sehr bewusst. Sie verwies auf Anträge der Grünen zum Einbau von Filteranlagen bei Mastställen und für ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung, die aber abgelehnt wurden. Intensive Tierhaltung rechne sich nur über die maximale Anzahl an Tieren auf minimaler Fläche. Zusätzlicher Aufwand zum Wohl für Mensch und Tier sei nichts wert. Geflügel, Schweine und Rinder seien nur noch Produktionseinheiten, die optimal funktionieren müssten und das führe unter anderem zu diesem unverantwortlichen Antibiotikagebrauch. Sengls Ansicht nach sei diese Art von Landwirtschaft einfach grauenhaft.
Dr. Max Steinmaßl rief am Anfang seines Vortrags den Zuhörern ins Bewusstsein, wie jung die Verwendung von Antibiotika eigentlich sei. Erstmals 1942 wurde Penicillin zu Therapiezwecken eingesetzt, zuvor waren Infektionskrankheiten eine häufige Todesursache und hätten erst durch Antibiotika ihre Schrecken verloren.
In seinen Anmerkungen zur Tierhaltung legte er Zahlen zur intensiven Schweine-, Puten- und Hähnchenmast vor. Alle Zahlen belegten, dass diese Tiere auf engstem Raum und in meist unüberschaubar großen Gruppen zusammengepfercht gehalten werden. Und da diese Haltungsbedingungen optimale Verbreitungsmöglichkeiten für Krankheitserreger böten, werden den Tieren oft Antibiotika verabreicht. Bis 2006 durften Antibiotika zur Wachstumsförderung ohne medizinische Indikation verwendet werden, jetzt muss ein Tier in der Gruppe erkranken, um die gesamte Gruppe behandeln zu dürfen (Metaphylaxe). So würden Masthähnchen in ihrem kurzen Leben von nur 40 Tagen im Durchschnitt an 10 Tagen Antibiotika bekommen. In der Hälfte großer Schweinemastanlagen konnte ein bestimmter resistenter Keim (LA-MRSA)nachgewiesen werden und auch bei 86% der Personen, die direkten Kontakt zu den Tieren hatten. In den Niederlanden würden diese Landwirte generell als Risikopatienten mit Isolierung eingestuft, bis zur Vorlage eines negativen Untersuchungsbefundes.
Folgende vom Gesetzgeber verordneten Pflichten sollten die Antibiotikamenge in der Tiermast verringern: Seit dem 1. Juli 2014 gibt es eine Meldepflicht an die staatliche Antibiotikadatenbank für alle Landwirte, die Masttiere ab einer bestimmten Anzahl halten. Ein Risikomanagementplan werde erarbeitet und sowohl Tierhalter als auch Tierärzte müssten Fachkenntnisse nachweisen.
Neben diesen Pflichten sieht Steinmaßl aber auch weitere Möglichkeiten, wie die Haltung von robusteren Rassen, die nicht nur auf extremen Fleischzuwachs gezüchtet seien, oder kleinere Gruppen und strukturiertere Ställe. Zielführend sei auch, einfach weniger Fleisch zu essen und dieses dann entsprechend Wert zu schätzen.
Dr. Andreas Neubauer erläutert am Anfang seines Vortrags die Bildung von Resistenzen.
Antibiotika würden Bakterien zerstören oder deren Vermehrung verhindern. Resistente Bakterien könnten von Haus aus immun gegen Antibiotika sein. Sie könnten sich aber durch spontane Veränderung und Anpassung bilden und die erworbene Resistenz auch an andere Bakterien weitergeben.
Bei der Anwendung von Antibiotika würden immer einige Bakterienstämme überleben, die eine Resistenz besitzen. Daher breiten sich Bakterien mit Resistenzeigenschaften vor allem dort aus, wo viele Antibiotika im Umlauf sind und sie ihre Resistenz dauernd beweisen oder anpassen müssen, also in Anlagen der industriellen Tiermast oder in Krankenhäusern. Werden Antibiotika zu kurz, zu lang oder zu oft genommen bilden sich verstärkt Resistenzen.
Insgesamt betrug 2011 die Menge der verordneten Antibiotika in der Humanmedizin 700 – 800 Tonnen. Dieser Menge ständen laut Bundestierärztekammer 1452 Tonnen Antibiotika in der Nutztierhaltung im Jahr 2013 gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Menge insgesamt leicht zurückgegangen, der Anteil an verwendeten Reserveantibiotika in der Tierhaltung habe jedoch deutlich zugenommen. Und diese Reserveantibiotika seien für Notfälle in der Humanmedizin gedacht. Fatal könnte sich die Durchmischung von Keimen aus der intensiven Tierhaltung und dem Eintrag von humanen Fäkalien und Abwässern aus Krankenhäusern auf die Bildung neuer resistenter Keime auswirken. Gleichzeitig seien in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine neuen Antibiotika in Sicht, da sich die Pharmazeutische Industrie weitestgehend aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen habe. Antibiotika seien ein Segen für viele kranke Patienten. Wer erlebt habe, wie sich ein Patient rasch von einer schweren Infektion erholt, weiß die Wirkung zu schätzen. Durch unbedachten Einsatz in der Humanmedizin und Massentierhaltung bestehe für die Zukunft aber ein hohes Risiko, dass bakterielle Infekte nicht ausreichend behandelt werden können. Deshalb müsse in der Humanmedizin die Verordnung von Antibiotika kritischer geprüft werden. In der Massentierhaltung müssten Antibiotika-Gaben strengstens kontrolliert, bzw. die Art und Weise dieser antibiotikaabhängigen Tierhaltung dringend infrage gestellt und verboten werden. Natürlich käme es auf jeden einzelnen Verbraucher und Erzeuger an: solange Fleisch aus Massentierhaltung billig gekauft werde, ändere sich nichts. Neubauer schloss sich dem Apell seines Vorredners an, deutlich weniger Fleisch zu essen, dafür jedoch aus vertrauenswürdigen Ställen.
Das Einkaufs- und Verbraucherverhalten war Thema der anschließenden Diskussion. Mehre Wortbeiträge betrafen die Diskrepanz zwischen gewünschter Tierhaltung und der Bereitschaft dafür entsprechende Fleischpreise zu zahlen. Die Discounter hätten mittlerweile die ungebrochene Macht, die Preise zu diktieren und der Trend gehe hin zum immer noch Billiger.
Wenn ein Schwein huste, dann fangen erfahrungsgemäß die anderen auch bald damit an, erklärte ein Tiermäster. Dann gebe er halt allen Antibiotika, damit alle gesund bleiben, denn Ausfälle könne sich keiner leisten. Das Image der Schweinmäster sei schlecht, die Misere für den einzelnen Landwirt aber schier nicht zu beheben. Unterschiedlich waren die Meinungen, wieweit die intensive Tiermast schon in der Region Fuß gefasst hätte. Und wie sie sich verhindern ließe. Solange es das privilegierte Bauen für Landwirte gebe, hätten es die Gemeinden schwer, sich dagegen zu entscheiden, erklärte Edwin Hertlein, Gemeinderat aus Teisendorf. Dr. Neubauer wies auch auf die falsche Erwartung der Patienten hin, die glauben durch Antibiotikaeinnahme z. B. ihren grippalen Infekt schneller überwinden zu können. Und für den Arzt könne eine zurückhaltende Verwendung von Antibiotika aus rechtlicher Sicht von Nachteil sein. Doch um in Zukunft nicht wieder an Lungenentzündung oder Hautwunden sterben zu müssen, sei der Wille zur Veränderung von Seiten der Politik und in der Gesellschaft dringend nötig.