Bambergs Gärtner – Grünes Welterbe in Oberfranken

Bei meinem Besuch in der Gärtnerstadt Bamberg besuchte ich einige der alten Gärtnereibetriebe, denen die Stadt unter anderem ihren Status als Welterbe verdankt, tauschte mich mit engagierten Grünen aus und besichtigte gemeinsam mit Toni Hofreiter, dem Fraktionsvorsitzenden der Bundesgrünen, und meiner Landtagskollegin Ulrike Gote die jüngste Brauerei der 65 Brauereien im Landkreis Bamberg. Hier der Bericht:

Gärtnereien wichtiger Teil des Welterbes

Bamberg besitzt eine einmalige Besonderheit: bis heute gibt es viele innerstädtische Freiflächen, die früher allesamt, heute nur noch teilweise von Gärtnereien bewirtschaftet werden.  DSC02786Ein wichtiges Ziel der Grünen vor Ort ist es, die noch bestehende Freifläche in der oberen Gartenstadt in den Bebauungsplan aufzunehmen, um sie so für gärtnerische Nutzung oder Privatgärten freizuhalten – und den Status Bambergs als Welterbe zu erhalten. „Die Stadtverwaltung hatte hier eine tolle Idee, der auch fast alle hier zustimmen. Nur der Spekulationsdruck auf diesen Flächen ist extrem hoch“, erklärt Uschi Sowa, Grüne Stadträtin.

Viele Gärtner sehen es auch als zu mühsam und wenig gewinnbringend an, die kleinen und oft sehr schmalen Grundstücke zu bewirtschaften – große Maschinen haben hier keinen Platz. Dass es sich trotzdem lohnen kann, beweist Bioland-Gärtner Sebastian Niedermaier. Mit gerade einmal 3 Hektar Fläche ernährt er die ganze Familie; über seinen Hofladen verkauft er einen großen Teil seiner Erzeugnisse: „Wir verkaufen 50% direkt am Hof“, berichtet er. Neben besonderen Tomatenzüchtungen sind dies vor allem die gängigen Gemüsesorten.

In Bamberg wird wieder Süßholz geraspelt

Eine andere Möglichkeit, auch kleine Flächen rentabel zu machen, ist der über hochspezielle Sonderkulturen, wo die Kunden Handarbeit gerne noch bezahlen.

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Eine ganz besondere Sonderkultur ist das Süßholz, das einst die Haupteinnahmequelle der Bamberger Gärtner war – und seit 1960 überhaupt nicht mehr angebaut wurde. „Das Süßholz ist einfach mühsam und zeitintensiv“, weiß Gertie Leumer. Die Inhaberin der Gärtnerei Mussärol (das bedeutet Majoran auf bambergisch, seit 1994 als Naturland-Gärtnerei betrieben, war eine der ersten, die sich wieder an den Süßholz-Anbau gewagt hat. Die Pflanzen müssten vier Jahren wachsen, ehe man sie ernten kann; das Ausgraben der bis zu 8 Meter tiefen Wurzeln – die man dann sprichwörtlich „raspelt“ und zur Lakritzherstellung verwendet, erfordert Know-How. Im Vorfeld der Landesgartenschau 2012 entstand aber die Bamberger Süßholzgesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses traditionsreiche Gewächs in Bamberg wieder heimisch zu machen. Die touristische Vermarktung läuft gerade an und soll sich zu einem der Hauptstandbeine der Süßholz-Vermarktung entwickeln.

Das „grüne Erbe“ bewahren

Die früher über 500 Bamberger Gärtner vermehrten ihr Pflanzen meist selbst – und entwickelten dadurch unzählige eigene Haussorten. Viele davon sind heute schon wieder ausgestorben, einige gibt es noch – „aber durch die Nachwuchsprobleme in vielen Gärtnereien sind auch diese bedroht“, so Ulrike Aas. Sie hat dem Verein „Bamberger Sortengarten“ einen Teil ihres Grundstücks zur Verfügung gestellt, um eben diese alten Sorten zu bewahren. Über das Bamberger Gärtnermuseum für alle zugänglich, pflanzen und ernten Ehrenamtliche – oft gemeinsam mit Schulkindern – Butterkohl, Bamberger Knoblauch, Schwarzwurzeln, Bamberger Rettich und Bamberger Spitzwirsing und vieles mehr und bewahren so das „grüne Erbe“, das die Bamberger Gärtner hinterlassen haben.

Grüne Forderungen

Dass die historischen Gärtnerflächen erhalten werden sollen, darüber herrscht Einigkeit unter vielen Bambergern. „Die Bamberger Gärten sind ein Erbe, das würdig ist, erhalten zu werden“, findet auch Gisela Sengl. Den Bamberger Sortengarten – so wie alle Sortengärten – politisch zu fördern, sollte im staatlichen Interesse liegen. „Denn Standortsorten sind eben standort- und damit klimaangepasst: sie sind viel widerstandfähiger und brauchen dadurch deutlich weniger Spritzmittel“, so Sengl. Auch Toni Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Bundesgrünen, findet das gigantische Sterben von Haustierrassen und Pflanzensorten tragisch: „Diese genetische Vielfalt ist damit unwiederbringlich verloren – dabei bedeutet sie einen immens großen Wert für die Züchtungsarbeit“, so Hofreiter. Es sei deshalb eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand, dass diese Sorten erhalten blieben. Sie und die grandiosen gärtnerischen Freiflächen inmitten der Stadt seien außerdem eine große Chance für den Tourismus in Bamberg.

Es gibt auch viele Ideen, was die Stadt tun könnte, um diese Flächen erhalten zu können: beispielsweise im Programm des urbanen Gartenbaus: Bewohner oder Initiativen, wie z.B. solidarische Landwirtschaften, könnten die Flächen pachten und bewirtschaften. „Es gibt auch die Möglichkeit, dass die Stadt die Flächen pachtet und dann die Verteilung an interessierte Anwohner zur Bewirtschaftung weiterpachtet organisiert“, so Sengls Vorschlag. Selbst Versorgen in der Stadt liege ohnehin im Trend: „Bamberg ist praktisch historisches Vorbild für die Urban-Gardening-Bewegung“, so Hofreiter.

Wider das Brauhaussterben

Die jüngste der 65 Brauereien im Landkreis Bamberg – weltweit ein Rekord – besuchten Sengl, Hofreiter und Landtags-Vizepräsidentin Ulrike Gote am Nachmittag in Breitengüßbach. 2012 erfüllte sich Jörg Binkert einen Traum und gründete seine eigene Brauerei – und stieß damit direkt in die derzeit so erfolgreiche „Craft-Beer-Bewegung“, die, ausgehend von den USA, vor allem den Großbrauereien und „Fernsehbieren“ große Absatzprobleme bereitet. „Hier in der Region ist es sowieso ganz normal, dass die Leute sich ihr Bier direkt in ihrer Brauerei holen“, berichtet Binkert. Mit der Craft-Beer-Bewegung seien nun viele neue, kleine Brauereien entstanden.

Seine eigene produzierte mittlerweile beachtliche 3000 Hektoliter – einiges davon aus Lohnbrauerei, aber auch fünf eigene Sorten „Mainseidla“. Binkert hat, so scheint es, mit seiner Idee ein erfolgreiches Konzept wider das Brauereisterben entdeckt.

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