Jeder will es werden, keiner will es sein: alt. Aber alt werden gehört zum Leben dazu. Und dazu gehört eben auch oft, Hilfe oder Pflege zu brauchen. Wie ist die Situation der Pflege aktuell bei uns im Landkreis? Darüber habe ich mit dem pflegepolitischen Sprecher Andreas Krahl sowie Expert*innen aus unserem Landkreis gesprochen – virtuell natürlich.
Die gute Nachricht: im Gegensatz zur ersten Welle im letzten Frühjahr sind mittlerweile genügend Masken und weitere Hygieneartikel in der Pflege verfügbar. Das Arbeiten mit FFP2-Masken sei zwar wirklich anstrengend, betonte Andrea Bader, die Leiterin des ambulanten Pflegedienstes Bader&Hoiß. “Aber die Hygienemaßnahmen haben wir im Vorfeld im Großen und Ganzen auch schon befolgt – es gibt ja auch noch andere Keime und Viren.” Ein viel größeres Problem sei der Pflege-Fachkräftemangel – “und der wird immer dramatischer werden angesichts der demographischen Entwicklung”, sagte Andreas Krahl, der pflegepolitische Sprecher der Landtagsgrünen und selbst Fachkrankenpfleger.
Die Gründe dafür sind vielfältig – aber meistens auf die geringe Wertschätzung des Berufs zurückzuführen. “Das einzige, was die meisten mit unserem Beruf verbinden, ist der Toilettengang”, erklärte Christian Maier, Pflegedienstleiter in Traunstein. Er selbst sei über den Zivi in den Beruf “reingerutscht” – “und das gilt für 100% meiner wenigen männlichen Kollegen.” Der Wegfall des Zivildienstes habe die Berührungspunkte junger Menschen mit der Pflege auf fast Null gesetzt. Dazu kommt noch die finanzielle Geringschätzung: “Eine Pflegefachkraft bekommt die Hälfte einer Fachkraft in der Industrie; das ist nicht nachvollziehbar und ein Ausdruck dessen, wie die Pflege in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird”, ergänzte Bader. Die viel zu niedrigen Pflegeschlüssel für Pflegeleistungen machen eine bessere Bezahlung unmöglich. “Das ist ein grundsätzliches Problem”, so Krahl. “Mehr Lohn bedeutet mehr Kosten für den Bewohner in der Altenpflege. Pflegefachkräfte und -bedürftige werden durch dieses Konstrukt gegeneinander ausgespielt.” Er forderte, bei der Entlohnung zukünftig unkonventionell zu denken, zum Beispiel durch die Befreiung von der Pflegeversicherung oder andere steuerliche Vorteile. “Und: wir brauchen endlich eine Pflegekammer. Die Profession Pflege muss gestärkt werden, mit Self-Empowerment und der Akademisierung des Berufs”, so Krahl.
Aus der Praxis berichteten Sabine Auer, Leiterin des Pflegeheims Anthojo in Unterwössen, sowie Dr. Nicole Schmid, die als Hausärztin Pflegeheime betreut. Auer erklärte das Vorgehen für Angehörigenbesuche in ihrer Einrichtung: notwendig ist eine telefonische Voranmeldung, zwei negative Tests, Besuch nur mit FFP2-Maske und in Beisein des Personals. “Das ist ein erheblicher Aufwand, aber die Bewohner fühlen sich sicher und verstehen die Maßnahmen”, berichtete sie.
Für alle Expert*innen ist das Impfen der Weg aus der Pandemie. Aus den Heimen konnte Dr. Nicole Schmid positives berichten: “Die älteren Menschen freuen sich, dass endlich etwas vorwärts geht, und erwarten uns herausgeputzt zum Impfen.” Leider gebe es aber Betreuer, die die von ihnen betreute Person nicht impfen lassen wollen – und auch manche Pfleger*in. Schmid warb deshalb ganz klar für die Impfung: “Es ist mit ganz wenigen Nebenwirkungen zu rechnen.” Auch die Diskussion um die verschiedenen Impfstoffe sieht sie als aufgebauscht an: “Wir Ärzte würden uns egal mit welchem Impfstoff impfen lassen. Nur wenn sich alle impfen lassen, werden die Heime sicherer.” Immerhin seien mittlerweile ab 80% der Pfleger*innen impfwillig, fügte Andreas Krahl an.
Am Ende gab es noch einen Appell an die Politik: “Vergesst uns nicht! Klatschen allein bringt nichts, seit letztem Frühjahr ist nicht wirklich was passiert”, so Maier. “Wir Pfleger sind definitiv nicht laut genug. Aber ich hab keine Zeit zum Streiken, wenn ich streike, versorgt niemand meine Patienten.”