GRÜNE AGRARTOUR NÜRNBERG-LAND
Unter dem Motto „Heimat. Genuss. Kultur. Einzigartig oder austauschbar?“ tourt die Grüne Landtagsfraktion schon seit knapp einem Jahr durch ganz Bayern, um sich vor Ort über vorbildliche Projekte zu informieren und über Ziele und Grundsätze einer regionalen und ökologischen Landwirtschaft ins Gespräch zu kommen. Im Februar 2016 machte die Grüne Agrartour Station rund um Hersbruck, um die Ökomodellregion Nürnberg, Nürnberger Land und Roth zu besuchen – leider konnte ich krankheitsbedingt nicht dabei sein. Vielen Dank an meine Kollegin Verena Osgyan und ihr Team!
Münzinghof: Wunderbarer eigener Kosmos
Die erste Station der Agrar-Tour war die Dorf- und Lebensgemeinschaft Münzinghof, die auch als Eingliederungshilfe für körperlich und geistig Behinderte dient, denn hier leben und arbeiten Behinderte und Nichtbehinderte Seite an Seite. Die Gemeinschaft selbst ist in einer selbstversorgenden Struktur aufgebaut und existiert seit 35 Jahren. Mittlerweile leben ca. 150 Menschen auf dem Münzinghof, entweder in einer der acht Hausgemeinschaften oder völlig individuell. Als größter Arbeitgeber in Velden produziert der Hof nach Demeter-Kriterien sowohl für den Eigen- als auch für den Fremdbedarf. Auch wenn der Münzinghof als inklusive Einrichtung entsprechende Förderungen erhält, arbeitet er durchaus auch wirtschaftlich: Insbesondere der landwirtschaftliche Bereich erwirtschaftet mittlerweile 80 Prozent seiner Umsätze durch externen Vertrieb.
Erster Halt der Führung war die Bäckerei, in der uns neben dem Team auch noch ein herrlicher Duft erwartete. Gegründet wurde die Bäckerei 1999 und verarbeitet ausschließlich Demeter-Getreide von hauseigenen Äckern.
In der ebenfalls hofeigenen Käserei verarbeiten sieben Käserinnen und Käser die Milch von vierundzwanzig Kühen, die auf dem Hof gehalten werden. Der Großteil des Käses wird an Biomärkte ausgeliefert. Neben der Erzeugung von Brot und Käse in Demeter-Qualität, bilden die Bäckerei, die Käserei und die Werkstätten auch aus. Insgesamt gibt es auf dem Münzinghof noch eine Gärtnerei, eine Metallwerkstatt, eine Choroi-Werkstatt, eine Holzwerkstatt, die Landwirtschaft, die Hauswirtschaft und die Hausmeisterei.
Zusätzlich zu den Ställen und den Gewächshäuser gibt es einen kleinen Laden, der die dort angebauten Köstlichkeiten auch zum Verkauf anbietet. Für alle Produkte gilt der Grundsatz: Sie sind qualitativ hochwertig, ökologisch und individuell.
Neben den Werkstätten als Arbeits-, Ausbildungs- und Versorgungsort setzt sich der Münzinghof fortwährend mit den ökologischen und energiewirtschaftlichen Ansprüchen auseinander. Zur Zeit wird auf dem Hof z.B. ein Hackschnitzelvergaser betrieben, das Gas gereinigt und dieses in das Stromnetz für den Eigenbedarf eingespeist.
Und auch in Münzinghof altern die Menschen, so dass es seit kurzem auf dem Gelände ein Mehrgenerationenhaus gibt, in dem sich Familien mit Kindern, ältere Bewohner und Bewohnerinnen, unterstützt von Praktikanten oder Bufdis, umeinander kümmern.
Generell muss man sagen, dass der Münzinghof ein wunderbarer eigener Kosmos ist und der Besuch damit endete, gar nicht gehen zu wollen. Es ist eine Lebensgemeinschaft, die ihresgleichen in Bayern sucht.
Ziegenkäse aus echter Handarbeit
Nach einer kleinen Mittagspause ging es dann weiter zum Reimehof in der Hersbrucker Alb. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde 2004 mit zwanzig Ziegen gegründet und beherbergt heute neben achtzig Ziegen auch Bewohner, die vor Ort in der Landwirtschaft und in der Käserei arbeiten.
In der Hofkäserei wird die komplette Milch zu vielen verschiedenen Käsespezialitäten verarbeitet – und dieser wird in echter Handarbeit sieben Tage die Woche täglich gepflegt und gehegt.
Im Rahmen der Öko-Modellregion nimmt der Reimehof als einer von fünf Bio-Höfen am SoLaWi-Projekt der Stadt Nürnberg teil. Zum einen ist die Teilnahme daran ideell von Vorteil, zum anderen gehört es auch teilweise zum finanziellen Standbein des Hofes, denn der monatliche Beitrag des Verbrauchers garantiert eine kontinuierliche Summe, auch dann wenn die Ziegen im Winter eine Pause machen. Andrea und Tanja sind davon überzeugt ist, dass die Solidarische Landwirtschaft Brücken zwischen den Bauern und dem Verbraucher baut.
Neben dem selbstproduzierten Käse vertreibt der Reimehof noch ein starkes Angebot an verschiedenen Variationen von Honig, Fleisch, Wurstwaren, Milch und anderen Milchprodukten wie z.B. Butter und Joghurt, das im kleinen Hofladen vor Ort zu kaufen ist.
Streuobstinitiative Hersbrucker Alb e.V.
Das letzte Ziel unserer Agrartour war die Streuobstinitiative Hersbrucker Alb e.V. Die Initiative setzt sich für die Erhaltung alter Streuobstbestände und Obstsorten ein. Wichtig ist dabei die Nachpflanzung und Pflege der Bäume.
Der erste Vereinsvorsitzende Ottmar Fischer erzählte voller Begeisterung von den verschiedenen Kursangeboten zur Pflege von Obstbäumen und warum es so wichtig ist, alte Obstsorten zu erhalten. Streuobstwiesen bedeuten Nachhaltigkeit und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für Pflanzen, Tiere und auch uns Menschen.
Das Arbeitsfeld des Vereins ist wirklich breit gefächert. So werden neben der Erhaltung und der Pflege des Obstgartens in Hersbruck auch Sensen- und Dengelkurse angeboten oder die Neuanlage von Obstwiesen und deren Unterhaltung. Auch mit Schulen wird eng zusammengearbeitet in Form von Baumpflanzaktionen oder Belieferung durch Trockenobst.
Alle drei besuchten Initiativen legen neben der regionalen und ökologischen Landwirtschaft großen Wert auf eine soziale Komponente, und zeigen damit, dass ein anderes Wirtschaften abseits der rein ökonomischen Zielsetzung möglich ist und welche zusätzlichen positiven Effekte das freisetzen kann. Ökologisch, ökonomisch und sozial – das geht!
Umstieg auf Bio: immer noch ein langer Weg
Wie es aktuell um die Landwirtschaftspolitik bestellt ist und was wir tun können, um die Lage zu verbessern, diskutierten wir anschließend auf unserer Abendveranstaltung im Café „…na und“, Hersbruck zusammen mit Uwe Neukamm, erster Vorsitzender der Biobauern e.V. , Ulrike Eyrich, Kreisrätin und Mitglied im Fair-Trade-Steuerungskreis Hersbruck, Gabriele Drechsler, Kreisrätin und Kreisvorsitzende der Grünen im Nürnberger Land, Judith Hock-Klamm, Vertreterin der Öko-Modellregion Nürnberg und vielen anderen Vertretern aus Nürnberger Land. Abgerundet wurde der Abend mit der einzigartigen fränkisch-internationalen Volkmusik des Duos „Dittl und Filsner“.
20% Bio-Anteil an der Landwirtschaftsproduktion bis 2020 hat die Staatsregierung als Ziel angegeben, doch der tatsächliche Anteil an ökologisch wirtschaftenden Betrieben beträgt bisher im Nürnberger Land erst 8,8 Prozent – und damit liegt der Landkreis in Mittelfranken vergleichsweise weit vorne, denn im gesamten Regierungsbezirk sind es nur 3,7 Prozent, machte Verena Osgyan in Ihrem Eingangsstatement deutlich. Aber woran liegt das, dass sich Bio-Anbau trotz großer Nachfrage, die mit regionaler Produktion längst nicht mehr allein abgedeckt werden kann, immer noch so schwertut, und neben den positiven Effekten durch mehr Ökoanbau die Umweltzerstörung durch falsche Produktionsweisen munter weiter geht?
Zum einen daran, dass neben sinnvollen Programmen zur Förderung des Ökolandbaus gleichzeitig mit der Gießkanne immer noch vor allem Investitionen in immer noch größere Flächen und Betriebe gefördert werden, was einer kleinteiligen bäuerlichen Landwirtschaft diametral entgegen steht und letztlich einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft Vorschub leistet – mit allen bekannten Nebenwirkungen wie Preisverfall, Höfesterben, Lebensmittelskandale, Verdichtung und Vergiftung unserer Böden und Schwund der heimischen Niederflurarten.
In Mittelfranken gingen durch Bebauung jedes Jahr 900 ha Fläche verloren – eine Fläche so groß wie der Brombachsee. Der Anteil an Energiepflanzen wie Mais liegt teilweise schon bei über 30%, was dazu führt dass die Pachtpreise explodieren und Nahrungsmittelanbau zunehmend unwirtschaftlicher wird.
Und bei einer schriftliche Anfragen zur „Situation des Grundwassers in Mittelfranken“ von Verena Osgyan und ihres Kollegen Markus Ganserer stellte sich heraus, dass die Nitratbelastung des Grundwassers immer weiter zunimmt. Für die allermeisten mittelfränkischen Grundwasserkörper ist die Zielerreichung für Nitratgrenzwerte, wie sie in der Wasserrahmenrichtlinie formuliert wurden, unwahrscheinlich. Bei 190 von 809 Messstationen liegt die Nitratkonzentration bei mehr als 50 mg Nitrat pro Liter und somit über dem nach der Trinkwasserverordnung zulässigen Grenzwert.
Darüber hinaus ist auch die Belastung mit Pflanzenschutzmittel äußerst bedenklich. Bereits 13 öffentliche Wasserversorgungsunternehmen, die meisten davon im Landkreis Nürnberg Land, müssen ihr Trinkwasser wegen der hohen Pestizidgehalte aufbereiten.
Wie die Lage hier vor Ort ist, konnten im Verlauf der Diskussion eine ganze Anzahl an Expertinnen und Experten aus erster Hand berichten.
Gerade Uwe Neukamm konnte in seiner Funktion viel über das Auf und Ab bei der Etablierung biologischer Landwirtschaft berichten, auf die schon teilweise in den 1970er umgestiegen wurde und die in den 1990ern noch einmal einen Boom erlebte. Heute würden zwar noch ein paar Höfe umsteigen, aber die Zahl stagniert immer mehr. Als Grund dafür nannte Neukamm unter anderem die hohen Kosten und den Aufwand, der sich nicht für den Bauern rentieren würde. Auch sei der Umstieg auf Bio immer noch ein langer und anstrengender Weg. Gewinn könne man nur durch die Direktvermarktung erzielen, so ein anwesender Landwirt. Das Problem dabei ist nur, dass diese sich als sehr hohe Arbeitsbelastung für den betreibenden Bauern äußert und sehr lange kaum bis gar keinen Gewinn abwirft.
Wichtige und relevante Änderungen einzuführen, werde durch die CSU, den Bauernverband und das Landwirtschaftsamt erschwert. „Alle klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und geschmiert wird durch Subventionen“, sagte Neukamm dazu.
Auch Judith Hock-Klemm, Projektkoordinatorin der Öko-Modellregion Nürnberg, Nürnberger Land, Roth äußerte sich kritisch zu den bestehenden Strukturen. Um eine ökologische Landwirtschaft zu sichern, müsse man die vorhandenen Großstrukturen in Kleinstrukturen aufbrechen, so Hock-Klemm. Sie erzählte außerdem von einem Bio-Schlachthof in der Nähe von Freising, der völlig transparent und im Kleinen arbeitet.
Günther Albrecht, Mitglied des Vorstands der Genossenschaft BioundNah eG sprach kurz über den gleichnamigen Bio-Laden, der von der Genossenschaft betrieben wird. Albrecht ging vor allem auf das Problem der Zwischenhändler ein. Diese würden leider stark versuchen den Preis zu drücken.
Die ökologische Landwirtschaft fördert regionale Vielfalt, Wertschätzung der Landwirte und ihrer Produkte sowie kurze und transparent Beschaffungswege. Auch wir als Verbraucher müssen uns unserer Verantwortung bewusst werden. Denn Heimat, Genuss und Kultur sind einzigartig und nicht austauschbar, und dies möchten wir uns erhalten!
Mit freundlicher Genehmigung von Verena Osgyan