Bayerische Biobauern im Aufwind – Wunsch oder Wirklichkeit?

Bei einer Diskussionsveranstaltung der afa in der evangelischen Kirchengemeinde Kolbermoor ging es um die Produktionsbedingungen und staatlichen Fördermaßnahmen für Bio-Landwirtinnen und -Landwirte. Hier mein Interview mit dem OVB (Dr. Marion Jacob):

∗ Was sind die Gründe für ein Ausbleiben des von der Landesregierung erwarteten Bio-Booms?

Wir Biobauern kennen die Praxis! Politisch müsste man in Bayern endlich einmal einschneidende Schritte unternehmen. Der Landwirtschaftsminister Brunner ist halt ein „Wohlfühl-Minister“, der angenehme Sachen macht, aber keine notwendigen Veränderungen anpackt. Es ist höchste Zeit, dass die staatlichen und EU-Förderungen in der Landwirtschaft endlich vorrangig so eingesetzt werden, dass diejenigen, die sich um Umwelt, Tierwohl und regionale Qualitätsproduktion kümmern, auch dafür entlohnt werden. Egal, ob dann welche aufschreien: wenn ich der Regionalvermarktung mehr Geld geben will, dann muss ich der Export-Vermarktung eben etwas wegnehmen. Das wäre endlich mal ein wirklich großer Schritt. Der Bauernverband ist auch nicht unschuldig an der bisherigen Entwicklung, er hat in diesem Bereich immer nur auf Export und Masse gesetzt.

∗ Wo setzen Sie konkret an?

Man sieht’s ja anhand der Milchkrise, der Milchpreis sinkt in den Keller, der Bio-milchpreis nicht. Der Kunde möchte eben ein nachhaltiges und vor allem ein regionales Produkt bekommen. Die Berchtesgadener Milchwerke machen es ja vor, die zahlen deutschlandweit den besten Milchpreis! Die haben ihre ganze Vermarktung komplett umgestellt auf wirklich regionale Produkte. Die werben mit dem Gebiet, woher die Milch kommt, kombinieren das mit einem fairen Preis, kombinieren das auch mit den Produzenten vor Ort und erzählen quasi die Geschichte von dem Produkt, woher es kommt und wer es herstellt. Und sie koppeln sich vom Weltmarktpreis ab!

∗ Was kann die Politik für die Bio-Vermarktung tun?

Die Landwirtschaft in Bayern ist gut, wir wollen sie erhalten, wie sie ist. Und wir wollen sie vor einer falschen Entwicklung retten. Und deshalb muss mehr investiert werden in die Regionalität. Nicht jeder Bauer ist ein Vermarktungskünstler, das braucht er auch gar nicht zu sein. Da muss mehr vom Staat getan werden.

Dabei könnte auch die digitale Welt helfen: man könnte eine App entwickeln oder eine Internetplattform, auf die man die Waren einstellen kann, die man anzubieten hat. So könnte jeder überall sehen, wo er was in der Nähe bekommen kann. Auf diese Weise würden auch die hohen Transportkosten gesenkt werden. Denn Bioanbau gibt es immer noch zu wenig, und dadurch entstehen hohe Transportkosten, die auch den Preis der Bioprodukte erhöhen. Hier müsste der Staat wenigstens eine Anschubfinanzierung ermöglichen, bis das Ganze dann ins Laufen kommt und die regionale Vermarktung funktioniert.

∗ Warum ist für Sie als Biobäuerin die regionale Vermarktung so wichtig?

Ich habe erkannt, dass man den Bauern und Bäuerinnen leider in den letzten Jahrzehnten das Marketing regelrecht abtrainiert hat. Denn man hat ihnen gesagt: „Produziert ihr nur, wir kümmern uns um den Rest“. Mit dem Rest verdient man aber das eigentliche Geld, das Produzieren allein ist viel weniger ertragreich. Und das ist eben eine große Ungerechtigkeit. Deshalb müssen sich die Produzenten wieder mehr um ihren Produkteverkauf selbst kümmern. Und da sollte der Staat mithelfen.

Mir ist es einfach ein Rätsel, wie man von einem Bauern verlangen kann, mit Liebe und viel Mühe die Milch zu produzieren, um dann mit anzusehen, wie daraus Molkepulver hergestellt wird.

Das ganze Thema „Wertschätzung der Lebensmittel“ spielt hier eine große Rolle. Man müsste auch in den Schulen ganz anders erziehen: Woher kommt unser Essen? Was wächst wann und wo? Und es muss in unserer modernen Zeit auch wieder bewusst werden, wie wichtig es ist, miteinander zu kochen und vor allem miteinander zu essen.

Interview Dr. Marion Jacob, aus http://www.ovb-online.de/rosenheim/kolbermoor/lebensmittel-mehr-wertschaetzen-5604551.html