Rupolding (Axel Effner). Sind die Zeiten ruhmreicher Weltcup- und Olympiamedaillen-Gewinner aus dem Chiemgau und dem Berchtesgadener Land bald Geschichte? Nach Ausstehen eines geologischen Gutachtens liegen die Wiederaufbaupläne für die vor einem Jahr bei einem Murenabgang teilzerstörten Bob- und Rodelbahn am Königssee aktuell auf Eis. Doch auch in Ruhpolding rumort es. Die Gemeinde sitzt aktuell auf einem Defizit von 1,6 Millionen Euro, nachdem der diesjährige Biathlon-Weltcup in der Chiemgau Arena coronabedingt ohne Zuschauer stattfinden musste.
Bei einem Besuch der sportpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Tina Winklmann, und der Grünen-Landtagsabgeordneten Gisela Sengl machten Bürgermeister Justus Pfeifer (CSU), Engelbert Schweiger, Geschäftsführer der Chiemgau Arena GmbH, sowie Vertreter der Grünen aus Gemeinderat und Ortsverein ihrem Unmut über die aktuelle Förderpraxis Luft.
Bereits seit 2013 habe die Gemeinde rund 1,4 Millionen Euro für den Betrieb und Erhalt der Chiemgau Arena zugeschossen, obwohl diese ein Bundesleistungszentrum sei, erläuterte Pfeifer. Vom zugesagten Förderbetrag über 500.000 Euro für das Weltcup-Defizit in Ruhpolding seien bisher vom Bund lediglich 10.000 Euro geflossen, während Garmisch-Partenkirchen eine deutlich höhere Summe als Abschlagszahlung erhalten habe. „Wie es zu diesem Unterschied kommt und warum bisher noch nicht mehr nach Ruhpolding geflossen ist, konnte mir im bürokratischen Gewirr aus Verbänden, Behörden und Ministerien noch keiner erklären“, erzürnt sich der Rathauschef. Die Gemeinde müsse den Fehlbetrag zwischenfinanzieren. Tina Winklmann versprach, hier nachzuhaken. „Nur haben wir selbst Probleme, die aktuellen Zahlen zeitnah aus den Ministerien zu bekommen.“
Gemeinderat Sebastian Steinbacher ergänzte, dass auch Mitglieder des Gremiums immer stärker von Bürgern kritisiert werden, warum die Chiemgau Arena mit so hohen Summen unterstützt werde. „Das Geld wird für wichtige Pflichtaufgaben gebraucht“, sagte Pfeifer. Wenn sich an der Förderpraxis nichts ändere, „müssen wir die Chiemgau Arena schweren Herzens zusperren“.
Die Gemeinde habe schon verschiedene Konzepte vorgelegt, um auch im Sommer durch Großveranstaltungen Gewinne zu erwirtschaften, erläuterte Engelbert Schweiger. Dies scheitere bisher am Natur- und Landschaftsschutz. Zu Buche schlügen auch rund 30.000 Euro Jahrespacht an den Staatsforst. Probleme bereite zudem die Großschanze, fügte der Geschäftsführer hinzu. Die einzige wettbewerbstaugliche Natursprungchance am Zirnberg weit und breit, auf der auch Goldmedaillengewinner Markus Eisenbichler trainiert habe, sei seit 2019 defekt. Die Reparaturkosten lägen technikbedingt bei sechs Millionen Euro. Passiere bis in spätestens drei Jahren nichts, müsse man den dazugehörigen Lift verkaufen.
Durch die Aufteilung der Chiemgau Arena in eine Betriebs- und Veranstaltungs-GmbH sowie die Eingliederung der Liegenschaften in die im Mai neugegründete Kommunal-Unternehmen Gemeindewerke Ruhpolding habe man das Biathlon-Mekka organisatorisch und betriebswirtschaftlich auf neue Beine gestellt, erläuterte Pfeifer. Die Gemeinde behalte nach wie vor den Zugriff, sei aber von den hohen finanziellen Risiken und damit Haushaltsengpässen wie bisher befreit.
Besonders die Praxis staatlicher Zuschüsse, die Förderung des Sportnachwuchses und die Bedeutung des Bundesleistungszentrums für den Spitzen- und Breitensport in der Region diskutierten die beiden Abgeordneten intensiv mit den Experten. Gisela Sengl erkundigte sich nach einer möglichen Übernahme der Trägerschaft des Bundesleistungszentrums durch den Landkreis wie in Berchtesgaden. Pfeifer erklärte dazu, hier zögen vor allem die nördlichen Gemeinden nicht mit. „Die Förderung des Spitzensports ist durch Motivation und Vorbildwirkung gerade für den Breitensport wichtig“, kommentierte Tina Winklmann.
Engelbert Schweiger ging auch auf die energetische Situation der Chiemgau Arena ein. Für die Eigenversorgung der Anlage sei 2010 ein Wärmetauscher eingebaut worden, dazu komme Ökostrom aus Wasserkraft. Für die Ausrichtung der Biathlon-Weltmeisterschaft 2027 sei man „gut gerüstet“. Für die hohe Zahl erfolgreicher Wintersportathleten in der Region sei die Chiemgau Arena zusammen mit der Eislaufhalle in Inzell und der Kunsteisbahn am Königssee unverzichtbar. „Fallen kurze Trainingsstrecken und Top-Trainer in Griffweite weg, wird sich die Situation grundlegend ändern“, sind sich Schweiger und Pfeifer einig. Die beiden Abgeordneten versprachen, in punkto Förderung nachzuhaken.
Text: Axel Effner