Traunstein. (al) In der Boulevard Presse wird der englische Kronprinz Charles oft als Sonderling dargestellt, der zu Blumen und Pflanzen spricht. Ganz anders im Film „Der Bauer und sein Prinz“ von Bertram Verhaag. Das Bild des Prinzen im Film ist eines von einem Visionär, der schon vor 30 Jahren gewahr wurde, unser gegenwärtiges, neoliberales Wirtschaftsystem ruiniert unseren Planeten. Deshalb etablierte Prinz Charles auf seinem Anwesen „Highgrove“, im Hügelland der Cotswolds, Gloucestershire, nahe des Städtchens Tetbury in 1986 die „Duchy Farm“. Eine Ökofarm, die im Einklang mit der Natur betrieben werden sollte. Zu dieser Zeit dachten die meisten Menschen noch gar nicht über „Öko“, oder „Bio“ nach. Der Prinz aber ahnte wohl, was kommen würde und drückte seine Meinung darüber folgendermaßen aus; „Man muss der Natur etwas zurückgeben. Heutzutage geben wir nichts zurück – wir nehmen nur“. Als Manager für seine Farm setzte Charles David Wilson ein, der sie nach strengen ökologischen Regeln führt. Das Rückgrat des Hofes sind eine Herde von 180 Ayreshire Milchkühen und 90 Angus Mutterkühe mit Kälbern. Dazu kommen etwa 500 Lleyn Schafe, Schweine und Hühner. Die Tiere müssen den regionalen, natürlichen Gegebenheiten angepasst sein, meinen Wilson und der Prinz. Die Felder der Farm sind durch Weidenhecken, an denen der Prinz selbst mit geflochten hat, mit einer Gesamtlänge von 16 km vor Wind geschützt. Jedes der Felder hat zudem eine „Bienenweide“, einen zwei Meter breiten Blühstreifen von Wildblumen und –kräutern. In enger Zusammenarbeit legen die Beiden fest, nach welchen Gesichtspunkten auf der Farm gehandelt wird und wie das geschehen soll.
Die MdL und agrarpolitische Sprecherin der Grünen, Gisela Sengl und ihre politisch Verbündeten aus den Kreisen BGL und Traunstein nahmen den Film zum Anlass, das Publikum nach seinem Zeigen zu einer Diskussion in den Seiler Keller einzuladen. Sengl, selbst Biobäuerin, hatte zur Diskussion auch den Kirchanschöringer Biobauern Michael Steinmaßl mitgebracht, um seine Meinung zum Film und zur Landwirtschaft zu hören. Zusammen mit der Grünen aus deren Kreistagfraktion, Burgi Mörtl-Körner moderierte Sengl die Diskussion im bis zum letzten Platz besetzen Raum. Begrüßt wurden die Besucher von Hans Dandl, ebenfalls einem Mitglied der Kreistagfraktion.
Sengl sagte, es leben immer mehr Menschen auf der Erde, die ernährt werden müssen. Die konventionelle Landwirtschaft meine, dies könne durch Gentechnik und den ungehemmten Einsatz von Pestiziden erreicht werden. Dabei gehe die Landwirtschaft „in eine schreckliche Richtung“ und die nachgelagerte Industrie verdiene am meisten, während die Bauern die eigentlichen Wertschöpfer seien. Das Thema der Ernährung Aller werde von der industriellen Landwirtschaft abgetan, indem sie uns glaubhaft machen wolle, ohne sie sei das unmöglich. Ohne die industrielle Agrarwirtschaft ginge das aber sehr wohl, beteuerte Sengl, wenn die Landwirtschaft nach den Kreisläufen der Natur und der Region ausgerichtet würde. Dies werde auch im eben gesehenen Film deutlich. Zudem würden die Schäden, die die industrielle Landwirtschaft anrichte oft nicht in einen Vergleich mit einbezogen. Die Kosten dafür würden immer auf die Allgemeinheit abgewälzt. Da werde nicht eingerechnet, dass die großen Maschinen der konventionellen Landwirtschaft den Boden verdichten und unfruchtbar machen, oder die Kosten für das Gesundheitssystem, die durch Pestizide und dergleichen verursacht werden. In der konventionellen Landwirtschaft zähle immer nur das „Größer“ und „Rationaler“. Dabei ginge es nicht einmal so sehr um das „Groß“ oder „Klein“, sondern um die Frage, wie naturverträglich gewirtschaftet werde.
Sengl rief ins Gedächtnis, es liege an jedem Einzelnen und sei seine Entscheidung, wie er sich ernähren wolle. Hier in unserer Gegend hätten wir noch einigermaßen intakte Strukturen für eine regionale, kleinstrukturierte Landwirtschaft und sollten die Chancen, die das biete nutzen, meinte die Abgeordnete.
Michael Steinmaßl schilderte eingangs seinen Werdegang zum Biobauer. Während seiner Lehre als Landschaftsgärtner und in der Landwirtschaftsschule sei er zur Überzeugung gekommen, sagte Steinmaßl, nur auf diese Weise seien die Probleme in der Natur und Landwirtschaft zu bewältigen und das Fortbestehen einer regionalen, kleinstrukturierten und nachhaltigen Landwirtschaft sicherzustellen. Die chemischen Keulen und wirtschaftlichen Zwänge der konventionellen führten zum Ruin des Bodens und des Wassers, meinte Steinmaßl. Anfangs sei er zwar belächelt und manchmal seine Ideen über die Landwirtschaft ablehnend betrachtet worden, inzwischen seien sie aber weitgehend akzeptiert. Der Erfolg der Biobauern, sowohl in ihrer Wirtschaftsform, als auch kommerziell, sei unübersehbar geworden Auch Steinmaßl kreidete an, in der konventionellen Landwirtschaft bestehe ein Teufelskreis, der immer größere Maschinen und schnelleres, intensiveres Arbeiten erfordere. Auch den Einsatz von Pestiziden verteufelte Steinmaßl, denn wenn richtig gewirtschaftet werde, kämen Nützlinge, die Pestizide unnötig machten, von selbst.
Burgi Mörtl-Körner meinte eingangs der Diskussion, wir müssten uns kritisch mit den Gegebenheiten in der Landwirtschaft auseinandersetzen und den Typ wählen, den wir wollen. Die Diskussion, auch über die Öko-Landwirtschaft, sei jetzt von großen Interessen und einer mächtigen Lobby in Land, Bund und der EU geprägt. Das Potential, dass etwas geschehe liege vor allem beim Verbraucher. Allerdings auch bei den Bauern selbst. Die sähen einstweilen oft nur auf große Flächen und fragten nicht nach den Hintergründen.
Gisela Sengl meinte, das werde auch bei der Milch deutlich. Es sei allgemein bekannt, der Preis für Biomilch sei viel besser als für herkömmliche, trotzdem würden sich viele Bauern weigern auf die Bioschiene umzusteigen und lieber jammern. Die Bauern ließen sich von Politik, Industrie und Handel in eine Ecke drängen, ohne sich ernsthaft zu wehren.
Burgi Mörtl-Körner meinte dazu, fast ein Drittel der Lebensmittel in Deutschland würden weggeworfen. Das sei politisch gewollt, durch den niedrigen Preis. Bei der gängigen, industriellen Landwirtschaft werde zwar an der Landwirtschaft verdient, nicht aber in der Landwirtschaft. Dies sei bedingt durch die Strukturen und viele Organisationen in die Bauern hineingezogen würden. Ein Element dabei sei aber auch die Engstirnigkeit und Sturheit vieler Bauern, sich von Strukturen und Organisationen loszureißen, die sie in dieses Dilemma geführt haben. Oft weigerten sie sich umzudenken, nur weil sie für Jahrzehnte so gewirtschaftet haben.
Ein Teilnehmer an der Diskussion meinte, es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sich für ein Umdenken in der Landwirtschaft einzusetzen. Ein weiterer Teilnehmer meinte, es sei widersinnig, bei einer Überproduktion an Milch Kraftfutter einzuführen, für das Regenwald abgeholzt werden müsse, das heimische Getreide aber in Biogasanlagen zu verbrennen. Eine Teilnehmerin an der Diskussion sagte, die Bauern sollten versuchen, ihr Wirtschaften einmal von einem anderen Standpunkt als ihren eigenen zu betrachten, um eine andere Sicht auf die Gegebenheiten zu gewinnen. Die Forderung eines Besuchers war, endlich die Förderungen für die Landwirtschaft von der Fläche auf die Arbeit umzustellen. Gisela Sengl stimmte ihm bei und zitierte die gegenwärtige Förderung von 300 Euro pro Hektar, bei der ein Bauer mit zehn Hektar gerade 3000 Euro bekomme, einer mit einer Fläche von 3000 ha aber 900000. Die Landwirtschaft könne auch nicht nach strikt betriebswirtschaftlichen Regeln beurteilt werden, denn sie befasse sich, im Gegensatz zur generellen Wirtschaft, mit lebendigen Dingen, die nicht unbedingt den Gegebenheiten anderer Wirtschaftszweige unterlägen. In der gesamten Diskussion bestand aber Einklang, Bauern und Verbraucher müssten zusammenarbeiten, um ein Umdenken und Umlenken in der Landwirtschaft herbeizuführen, denn von der Politik und den etablieren Verbänden sei wenig zu erwarten. Ein Milchbauer aus dem Publikum meinte in diesem Zusammenhang, Politik, Industrie und Handel hätten dauernd nach einem Konzept gefragt, mit dem der miserablen Situation der Milchbauern abgeholfen werden könne. Der BDM habe dann ein solches Konzept ausgearbeitet und vorgelegt. Keiner der weiteren am Milchmarkt Beteiligten wollte sich aber zu einer Diskussion darüber an einen runden Tisch setzen und sie hätten das Konzept einfach ignoriert.
Burgi Mörtl-Körner meinte abschließend, wir alle müssten ein Bewusstsein schaffen und entsprechend handeln und Gisela Sengl betonte; „Wir haben eine positive Kraft, können aber nicht nur nehmen, sondern müssen auch geben“, wie Prinz Charles statierte. Der Abend zeigte jedenfalls auch, es wäre gar nicht so abwegig einmal mit Pflanzen zu reden und zu versuchen ihre und die Befindlichkeiten der Natur herauszufinden, als nur wild drauflos zu wirtschaften. Auch da war der Prinz den Wirtschaftsbossen und den Boulevardblättern vielleicht schon weit voraus.
Mit freundlicher Genehmigung von Alois Albrecht